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ÖPNV und Elektro-Rollstuhl

 

Gerade in der letzten Zeit wurden häufiger Nutzer*innen von Elektro-Rollstühlen die Mitfahrt im öffentlichen Nahverkehr zu unrecht verweigert. Der Hintergrund ist leider eine verbreitete Unkenntnis der Fahrer bzw. Vertreter des Betreibers des öffentlichen Nahverkehrsunternehmens.

Um hier vorab noch einmal klar zu stellen, die nachfolgende Diskussion bezieht sich auf E-Scooter und nicht auf Elektro-Rollstühle. Für Elektro-Rollstühle besteht unstreitig eine Beförderungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) im ÖPNV und die Linienbusse haben mindestens zwei Stellplätze für Rollstuhlnutzer*innen zu haben (1) / (2).

E-Scooter unterscheiden sich von Elektro-Rollstühlen aber dadurch, dass diese in der Regel über eine Lenksäule mit einem Lenkrad / direkte Lenkung verfügen, teils nur als dreirädrige Fahrzeuge konzipiert und teils auch größer dimensioniert sind. Der Elektro-Rollstuhl dagegen wird mit Hilfe eines Joy-Sticks gesteuert. Beide Mobilitätshilfen können von der Krankenkasse finanziert werden.

Nach einer in einem Linienbus gemachten Überprüfung der Sicherheit der E-Scooter sind Bedenken zum Transport von E-Scootern wegen des Gefahrenpotentials aufgekommen. Bei E-Scootern, die quer zur Fahrtrichtung und ohne Abstützung aufgestellt sind, liegt eine Kipp- und Rutschgefahr der Fahrzeuge bei entsprechenden Fahrmanövern des Busses vor. Um dieses Gefahrenpotential zu minimieren, sind nun Mindestanforderungen für einen sicheren Transport erlassen worden.

Diese Anforderungen werden an den E-Scooter, an den Linienbus und an den/die Nutzer*in des E-Scooters formuliert und die Umsetzungen sind in Einzelheiten noch umstritten.

Zum Beispiel verfügt die ASEAG in Aachen über einen einzigen Bus, der die Vorgaben erfüllt und die ASEAG besteht darauf, dass die Nutzer einen entsprechenden Lehrgang mit anschließender Prüfung ablegen um so die Qualifikation des Nutzers / der Nutzerin nachweisen.

Das Ministerium schlägt hier eine entsprechende Kennzeichnung des Linienbusses und des Scooters vor, um die Diskussionen zwischen den Nutzern und den Vertretern des Verkehrsunternehmen (Fahrer, Kontroleure) zu entschärfen.

E-Scooter auf einem Stellplatz im Fahrzeug

Aber hier kommt den verantwortlichen Fahrern bzw. Begleitern des Verkehrsunternehmen eine Schlüsselrolle zu. Viele Konflikte würden entfallen, wenn auf Seite der Fahrer mehr Wissen um verschiedene Arten von Behinderungen vorhanden wäre. Hier sind die Verkehrsunternehmen in der Pflicht ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass es für einen Elektro-Rollstuhl wie für einen manuellen Rollstuhl eine Verpflichtung (PBefG) zur Beförderung existiert und dass nach Vorgabe des Bundes für die E-Scooter noch die Vertreter des öffentlichen Nahverkehrs und die Verbände für Menschen mit einer Behinderung Abstimmungen im Detail erarbeiten müssen. Aus dem vorliegenden Erlass ergeben sich folgende Rahmenbedingungen:

Der E-Scooter darf:
– max. 1,20 Meter lang sein
– max. 300 kg schwer (inkl. Fahrer) sein

und muss:
– vierrädrig sein
– eine zusätzliche Feststellbremse haben
– gewisse Beschleunigungskräfte aushalten
– rückwärts in den Bus eingefahren werden können
– über ein Bremssystem, dass gleichzeitig auf beide Räder einer Achse wirkt
– eine entsprechende Freigabe des Herstellers zur Nutzung in Linienbussen in der Bedienungsanleitung verfügen.

Die Scooterfahrerin / der Scooterfahrer
muss einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „G“ haben oder den Scooter als Kassenleistung verschrieben bekommen haben.

Der Linienbus muss über einen ausreichend großen Rollstuhlplatz verfügen und mit einem mindestens 28 Zentimeter überstehenden Haltebügel zum Gang ausgestattet sein.

Damit Bus- und E-Scooterfahrer auch wirklich wissen, dass der Scooter zur Mitnahme geeignet ist bzw. der Bus die Voraussetzung zur Mitnahme erfüllen kann, ist eine entsprechende Kennzeichnung notwendig.

Der ÖPNV soll nach der Neufassung des Personenbeförderungsgesetzte (PBefG) von 2013 bis zum 01. Januar 2022 „vollständig barrierefrei“ sein. Die Neureglung in § 8 Abs. 3 PBefG legt nun ein Regel/Ausnahme-Prinzip (in der Regel barrierefrei, Ausnahmen sind zu begründen) fest und setzt eine Frist zur Umsetzung des Ziels bis 2022. Es bleibt spannend!

(November 2018|ml)

 

(1) Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2017 (Link)

(2) Personebeförderungsgesetz (PBefG) (Link)