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Rollstuhl und Treppen

Wie ist der Zusammenhang zwischen einem Schild mit Aufschrift und einer Treppe?

Ein Verbotsschild mit den Worten: „Zutritt für  *** verboten“ oder „*** müssen draußen bleiben“.   Die Platzhalter können für eine beliebige Gruppe stehen, z.B.:

*** Bartträger | *** Mädchen mit einer roten Jacke | *** Menschen mit Löchern in den Socken, etc., etc., etc.

Wenn ein solches Schild vor einem Gebäude stünde, würde zu Recht ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen. Viele würden Ihre Missbilligung kundtun, es würden sich vielleicht auch einige finden, die handgreiflich werden und das Schild beseitigen wollen. Zurecht! Denn hierbei handelt es sich eindeutig um Diskriminierung einer beliebig herausgegriffenen Gruppe und es ist Zivilcourage gefordert und nötig.

In der Vergangenheit standen solche oder ähnliche Schilder jedoch in vielen Gesellschaften / Ländern  und stehen in einigen Teilen der Welt immer noch. Oft hat es lange gedauert die Schilder zu erkennen und zu beseitigen. Viel zu lange! Die Schilder waren nicht immer eindeutig oder direkt sichtbar, die Gruppen waren nicht so plakativ und dümmlich zusammengesetzt wie in oben angeführten Beispielen. Ihre Wortführer waren z.B. die Frauenbewegung, Nelson Mandela, Martin Luther King und viele andere.

Aber was hat das mit unserer Einführungsfrage zu tun? Eine Treppe mit ihren einzelnen Stufen ist für einen Rollstuhlfahrer wie ein Verbotsschild mit den Worten: „Zutritt für dich verboten“. Geschäfte, Restaurants, Arztpraxen, Museen, Veranstaltungsräume, Schulen und Universitäten, Ämter, Kirchen, etc.  die nur über eine Treppe zu erreichen sind, grenzen Rollstuhlfahrer aus und kommen hiermit einem unsichtbaren Verbotsschild gleich.

Aber jetzt kommen sicher die Einwände: „Das kann man doch nicht vergleichen.“, „Das macht doch niemand mit Absicht.“, „Damals waren die Vorschriften aber noch anders.“, „Das konnte man aber nicht anders bauen.“, etc.

Nun, Rollstühle gibt es schon seit dem Mittelalter.  <Link zu Wikipedia> Diese sahen sicher anders aus als heute ein ultraleichter Adaptiv-Rollstuhl. Und können Architekten und Ingenieure nur das bauen und konstruieren, was gesetzlich gefordert wird? Konnte man sich in den 50er, 60er oder 70er Jahren nicht vorstellen, dass ein Rollstuhlfahrer ein Gebäude „betreten“ muss, auch ohne DIN 18040? Nein, man hat es sich wahrscheinlich in der breiten Massen nicht vorstellen können. Noch heute wird der Rollstuhl bei den Krankenkassen offiziell als Krankenfahrstuhl bezeichnet. Die Nutzer waren Kranke, hilflos und zu bedauern; Rollstuhlfahrer waren auf Begleitung angewiesen und da wo sie nicht hinkamen, blieben sie halt ausgegrenzt.

Der entscheidende Unterschied ist eher ein ganz anderer. Zumindest in unserer Gesellschaft soll im Gegensatz zu den 70ern die Teilnahme eines Rollstuhlfahrers trotz seiner Behinderung am gesellschaftlichen Leben, Berufstätigkeit, Familie, Sport und Freizeit möglich sein! Eine vollumfängliche Teilhabe am Leben! Und zwar selbstständig, alleine, nicht auf Hilfe Anderer angewiesen. Der Rollstuhl wird zu einem spezialisierten Hilfsmittel, das ein aktives Leben trotz Gehbehinderung ermöglichen soll und kann. In einigen Fällen auch zu Extremen führt: mit dem Rolli in der Halfpipe <Link zu youtube>.

Nun, wann nehmen wir die Schilder weg? Es wird höchste Zeit! (ml | Oktober 2014)

Grundgesetz Artikel 3, Absatz 3:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.  <Link zum Gesetzestext>

Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG), Artikel 4

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. <Link zum Gesetzestext>