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Gipfelstation auf schneebedeckten Bergkämmen, Sonnenuntergang mit dramatischem Wolkenbild
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4.800 zu 147 – fair? *

Barrierefreies Bauen soll Standard werden! Diese Ankündigung wird sehr begrüßt und dieser Schritt ist mit Blick auf den demografischen Wandel höchste Zeit. Nach Auskunft der alten Bundesregierung fehlen zurzeit in NRW ca. 300.000 barrierefreie und altengerechte Wohnungen.

Aber schade, für Rollstuhlfahrer*innen will man erst einmal die R-Quote streichen. 4.800** zu 147 ist das Verhältnis in Aachen von Rollstuhlnutzer*innen zu rollstuhlgerechten und geförderten Wohnraum Ende November 2017. Ein offensichtliches und großes Missverhältnis, das es landesweit gibt und welches mit der R-Quote*** in der Novellierung der Landesbauordnung über die nächsten Jahre reduziert werden sollte.

Aber diese Mehrkosten, das ist einfach nicht zu bezahlen, und wenn es so in der Zeitung steht, dann glaubt man den Aussagen der neuen Ministerin. Diese Aussage ist einfach falsch und nicht seriös. Vor Einführung der R-Quote wurde lange diskutiert und Studien und Untersuchen angefertigt. Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund wurde von der Wohnungsbaugesellschaft Terragon 2016 eine umfassende Studie angefertigt, bei der 148 Kriterien im Hinblick auf Barrierefreiheit und Rollstuhleignung im Portfolio dieser Wohnungsbaugesellschaft untersucht wurden. Es kam erstaunliches heraus, wenn von Anfang an richtig geplant wird:

  • 138 Kriterien verursachen gar keine Mehrkosten!
  • Darüber hinaus entstanden Mehrkosten von unter 1% der Gesamtkosten des Musterhauses, wenn die höheren Anforderungen an eine rollstuhlgerechte Wohnung (DIN 18040-2 R) bei gleichzeitiger Berücksichtung der Anforderungen für Menschen mit einer Hör- und Sehschädigung.
  • Ein nachträglicher Umbau wird deutlich teurer und erfüllt bei weitem nicht die notwendigen Anforderungen.

Mehrkosten von unter einem Prozent und darum streicht man die R-Quote aus der Landesbauordnung und lässt die Rollstuhlnutzer*innen oder Familien mit einem rollstuhlfahrenden Kind im Regen stehen. Das nenne ich nicht „bauen für Alle“.

Schon die Entwicklung der Grunderwerbssteuer in NRW seit 2006 und die Entwicklung der Grundstückspreise haben zu einer höheren Kostenentwicklung beigetragen, als das rollstuhlgerechte Bauen bei einer konsequenten Planung. Und das wäre eine Investition in die Zukunft. Es müssen endlich Rahmenbedingungen geschaffen werden,  die das Prinzip „ambulant vor stationär“ bei einer eigenständigen Lebensführung überhaupt erst ermöglichen. Alles andre bleibt nur ein Lippenbekenntnis.

(Dezember 2017|ml)

 

*      Grundlage des Beitrages ist ein Leserbrief in den „Aachener Nachrichten“, der sich auf den Artikel: „Barrierefreies Bauen“ wird Standard vom Donnerstag, den 21.12.2017, bezieht. Der Leserbrief wurde leider nicht veröffentlicht.

**    Errechnet aus den Angaben des Berichts der Beauftragten der Landesregierung für Belange der Menschen mit Behinderung in NRW, 16. Legislaturperiode, Tabelle 4-3, Seite 104. Nach Angabe des Landesbetriebs IT.NRW lebten 31.12.2015 in NRW 17.865.516 und in Aachen 245.885 Einwohner, Angabe auf Hundert abgerundet.

***  Mit Einführung der R-Quote solle bei Neubau eines Wohnhauses ab 8 Wohnungen eine für Rollstuhlnutzer*innen geeignet sein, ab 16 Wohnungen zwei WE. In anbetracht der Anzahl von Neubauten im Jahr würde so über einen langen Zeitraum langsam ein Angebot an rollstuhlgeeigneten Wohnraum geschaffen werden.