Eine kurze Geschichte aus dem letzten Sommer:
Bei einem Ausflug zu einem beliebten Freizeitgelände ist mir folgendes passiert:
Im Bereich der großzügigen WC-Anlagen gab es viele Toiletten und wie üblich nach Geschlechtern getrennt. Aber es gab nur eine behindertengerechte Toilette und diese war sehr lange besetzt! Als sich nun nach langer Wartezeit, mir schien diese unendlich, die Tür wieder öffnete, kam eine junge und sportliche Frau in einem Werbekostüm mit Gepäck aus der Toilette, die diesen etwas größeren Raum wohl offensichtlich für das Umkleiden und Schminken nutzte und ganz erstaunt tat, dass dieses einzige behindergerechte WC eben keine Umkleidekabine für die Mitarbeiter ihrer Promotion-Gruppe ist, sondern für mich als Rollstuhlfahrer, der die ganzen anderen Toiletten eben leider nicht nutzen kann.
Auf die Idee eines einheitlichen Schließsystems für alle öffentlichen Toiletten für Menschen mit einer Behinderung ist Hannelore Hofmann vom CBF Darmstadt (Club Behinderter und Ihrer Freunde in Darmstadt und Umgebung e.V.) in den 1980er Jahren gekommen.
Schon 1985 konnte man zwar schon auf ein vergleichsweise dichtes Netz an öffentlichen behindertengerechten Toiletten – insbesondere an Fernstraßen – zurückblicken, doch leider befanden sich diese Toiletten oft in einem erschreckenden Zustand. Vielerorts fielen die Toiletten dem Vandalismus zum Opfer oder waren derart verschmutzt, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Aus diesem Grund wurden diese Toiletten immer häufiger abgesperrt und waren so nicht mehr zu nutzen.
Schnell ließen sich die Betreiber von der Idee des CBF Darmstadt überzeugen und gaben das Versprechen ab, die Toiletten-Schlösser mit einem einheitlichen Schließsystem zu versehen. Innerhalb von nur drei Monaten wurden die Schließanlagen mit dem neuen Schließzylinder ausgestattet; angeblich sind es zurzeit (Ende des Jahres 2016) schon 9.000 Toilettenanlagen in Europa, die mit diesem Schließsystem ausgestattet sind.
Der CBF hat den Vertrieb des Schlüssels übernommen (http://www.cbf-da.de/euro-wc-schluessel.html) Dabei ist der Verein darauf bedacht, dass der Schlüssel ausschließlich an Menschen ausgehändigt wird, die auf behindertengerechte Toiletten angewiesen sind.
Dies sind zum Beispiel: schwer / außergewöhnlich Gehbehinderte; Rollstuhlfahrer; Stomaträger; Blinde; Schwerbehinderte die hilfsbedürftig sind und gegebenenfalls eine Hilfsperson brauchen; an Multipler Sklerose, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Menschen mit chronischer Blasen- / Darmerkrankung.
Der deutsche Schwerbehindertenausweis gilt als Berechtigung, wenn
– das Merkzeichen: aG, B, H, oder BL
– oder das Merkzeichen G und 70% aufwärts, 80, 90 oder 100%
enthalten ist.
Ein ärztlicher Nachweis wird immer dann als ausreichend angesehen, wenn eine Behinderung nicht anders nachgewiesen werden kann. Dies gilt im Besonderen für Personen aus Ländern, die über kein vergleichbares Ausweissystem verfügen.
Jeder, der die Berechtigung für einen solchen Schlüssel nachweisen kann, kann diesen gegen eine Gebühr von 20,00 € bestellen beim Verein bestellen. Die Kontaktdaten finden Sie am Ende des Beitrages.
In Aachen gibt es zurzeit eine geringe Zahl von Toiletten, die mit diesem Schlüssel geöffnet werden können. Dies sind:
- Centre Charlemagne, Ritter-Chorus-Straße 6 (24 Stunden)
- Hauptbahnhof, in der Nähe der Schließfächer (24 Stunden)
Nach meiner Erfahrung sind noch weitere Toiletten mit diesem Schließsystem ausgestattet. Dies ist z.B.:
- Stadtverwaltung Aachen, Lagerhausstraße 20 (nur zu den Öffnungszeiten)
- die RWTH hat die Absicht geäußert, dieses Schließsystem zu nutzen
Liste für Toiletten in Aachen: http://www.aachen.de/de/stadt_buerger/gesellschaft_soziales/behinderte_pflegebeduerftige/wc_behinderte_liste_Januar2016.pdf
Neben der eigentlichen Idee behindertengerechte Toiletten mit einem besonderen Schließzylinder auszustatten und diese so nur dem Kreis von Menschen, die darauf angewiesen sind, zugänglich zu machen, werden nun immer mehr Einrichtungen für Menschen mit einer Behinderung damit ausgestattet und so vor Missbrauch geschützt.
Schon lange läst sich der Plattformlift im Eingangsbereich des Kapuzinerkarrees damit bedienen. Seit einiger Zeit sind die Plattformlifte auf dem Katschhof / Rückseite des Rathauses mit dem EURO-Schlüssel zu bedienen.
Kontaktdaten
CBF-Darmstadt e.V.
Pallaswiesenstraße 123a
64293 Darmstadt
Fon: 06151 – 812210
Fax: 06151 – 812281
(November 2016|ml)